Eine Frage, die mir oft gestellt wird, und das nicht nur von Lesern, sondern auch von Kollegen: Warum nutzt du eigentlich Pseudonyme?
Für die Wahl eines anderen Namens kann es natürlich verschiedene gute Gründe geben:
Entweder will man nicht auffindbar sein (oder wenigstens nicht so schnell – die Herrschaften der Geheimdienste sollen ja auch etwas zum Knobeln haben, nicht wahr?).
Oder man schreibt Romane in einem Genre, das … nun ja … nicht ganz jugendfrei ist, und man möchte vermeiden, dass der kleine Sohn oder die Tochter sich in der Schule rechtfertigen müssen für den »Schmuddelkram« den die Mama da zu Hause an ihrem Schreibtisch produziert.
Doch was trifft auf mich zu?
Also.
Ich habe keine Probleme mit dem Geheimdienst, schreibe weder Erotik-Romane noch Eingeweide-verspritzenden Horror und stehe hinter jedem Wort, das ich geschrieben habe.
Aber warum dann? Warum schreibe ich nicht unter meinem Klarnamen?
Vielleicht kann ich es so am Besten erklären:
Schließen Sie mal bitte die Augen und denken Sie an Ihr Lieblingsgericht. Na, bekommen Sie schon Appetit? Gut. Und nun stellen Sie sich bitte vor, dass Sie dieses Gericht jeden Tag essen – von Montag bis Sonntag, den ganzen Monat lang. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde diese Vorstellung gruselig. Und ich wüsste, dass mir spätestens in der zweiten Woche diese Speise aus dem Hals hängen und die längste Zeit mein Lieblingsgericht gewesen sein würde. Ich brauche Abwechslung auf dem Teller: Ich liebe Pasta und die Italienische Küche, aber auch Chilli, Indisch, Sushi, Thai, Käsebrote, Ungarisches Gulasch oder Königsberger Klopse. Und die Rouladen meiner Mutter … Mir läuft gerade das Wasser im Mund zusammen.
So geht es mir mit dem Schreiben. Ich liebe es, spannungsgeladene, aktionreiche Krimis und Thriller zu schreiben. Und doch brauche ich gelegentlich die Tiefe und Romantik eines Liebes- oder Entwicklungsromans, die Opulenz von Love and Landscape und Fantasy, oder die bittere Düsternis einer Dystopie.
Aber warum schreibe ich dann nicht all diese Romane – und verwende meinen eigenen Namen?
Um bei dem kulinarischen Beispiel zu bleiben: Stellen Sie sich ein Restaurant vor, das ganz schlicht »Bei Yvonne« heißt. Was erwartet Sie da? Dem Voramen nach könnte es Französische Küche sein. Vielleicht auch Hausmannskost. Der Vorname ist ja nicht allzu selten. Aber ich wette, Sie wären mehr als überrascht, wenn Sie auf der Karte neben Currywurst und Falafel auch noch Sushi, Spaghetti Bolognese und Empanadas finden würden.
Vielleicht wären Sie nicht nur überrascht, sondern würden sich fragen, wie ein Koch in einer Küche all diese doch sehr unterschiedlichen Speisen gut zubereiten können soll (dass es geht, könnte meine Familie Ihnen bestätigen – aber das nur am Rande).
Deshalb schreibe ich unter Pseudonym.
Für jedes Genre ein Name. Damit niemand versehentlich zu einem Liebesroman greift, der eigentlich einen Krimi wollte.
Das soll Sie ja nicht daran hindern, bewusst mal etwas Neues auszuprobieren und einen der anderen Namen zu versuchen.
Denn »am Herd« stehe immer nur ich.
Yvonne Wüstel, Autorin.
Sie sind herzlich eingeladen!